Samstag, September 30, 2023
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Katar: Blick hinter den Schleier

Dieser Beitrag wurde am 20.03.2023 zuletzt aktualisiert.

Ich hatte vor meinem Besuch in Katar viele Vorurteile. Heute, nach meiner Rückkehr, schwärme ich von einem überraschenden Reichtum an Kunstschätzen, von einer spannenden Kultur und von starken, mächtigen Frauen. Nur die Hitze liegt tagsüber tatsächlich über dem Golfstaat. Aber, ganz ehrlich: In den Museen ist es wunderbar kühl und durch den Souk – übrigens einer der schönsten am Golf – läuft man sowieso am besten in den romantischen Abendstunden.

Eine Milliarde US-Dollar für Kunst

Sie kann pro Jahr eine Milliarde US-Dollar für Kunst ausgeben, so wird erzählt, und ist damit eine der mächtigsten Personen im weltweiten Kunsthandel. Die Rede ist von Her Highness Sheikha Al Mayasa bint Hamad bin Khalifa Al Thani, der Schwester des amtierenden Emirs von Katar. Die Politologin und Literaturwissenschaftlerin steht der Museumsbehörde vor und ist auch Chefin des MIA, The Museum of Islamic Art, direkt an der Corniche in Doha.

Museum klingt erst einmal wenig aufregend, doch wer das MIA besucht, ist vom ersten Moment an elektrisiert – für mich ist es eines der schönsten Kulturtempel, die in diesem Jahrtausend bislang gebaut wurden. Kein Wunder, denn kein Geringerer als der gefeierte Star-Architekt I.M. Pei hat Hand angelegt, um Katar dieses kulturelle Denkmal zu setzen.

Lichtdurchflutetes Museum mit Blick auf Doha Skyline

Der verschachtelte Bau, der auf einer kleinen Insel liegt, an der traditionelle Fischerboote ankern, erinnert von Ferne an eine verschleierte Frau. Dieser steinernen Lady darf man allerdings hinter den Schleier schauen: Das MIA birgt ein lichtdurchflutetes Innenleben mit mächtigen Panoramafenstern, die einen ungehinderten Blick auf Dohas Skyline bieten. Tornado Tower, Palm Tower, Doha Tower: All die spektakulären Glitzertürme des Golfstaates reihen sich am gegenüberliegenden Ufer aneinander und wetteifern um den 1. Platz im Ranking der schönsten Wolkenkratzer. Eine kleine Fähre pendelt über das blau schimmernde Wasser zwischen beiden Uferseiten hin und her – fast sinnbildlich für das Motto des Emirats, Neues und Traditionelles miteinander zu verbinden, in die Zukunft zu schauen, doch die Wurzeln nicht zu vergessen.

Auch das MIA lebt diesen Gedanken. Die Ausstellung umfasst islamische Kunst, deren älteste Stücke aus dem 7. Jahrhundert stammen. Das riesige Atrium mit viel Glas, hellem Marmor und einem weitläufigen Café, das vom Designer Philippe Starck gestaltet wurde, ist jedoch ein Ort der Zukunft und auch der Begegnung. Inderinnen in Saris eilen die weitgeschwungenen Treppen hinauf, westliche Besucher in Jeans und T-Shirt schlendern durch die Ausstellungsräume und Katari in weißen Dischdaschas sitzen an den Cafétischen und nippen am Cappuccino.

Genau genommen könnte ich mich hier den ganzen Tag aufhalten, im Café von den leckeren Kuchen naschen, das kunstsinnige Treiben verfolgen und immer wieder der kleinen Fähre bei ihrer Schaukelfahrt zu den Wolkenkratzern zuschauen. Kunst- und Kulturinteressierte zieht es jedoch weiter, denn das Angebot in Katar ist riesig und bei einem Kurzbesuch kaum zu bewältigen. Zu nennen sind das Arab Museum of Modern Art (Mathaf), das Orientalist Museum, das National Museum of Qatar und etliche Galerien wie die Gallery Al Riwaq oder die Gallery Katara.

Vom Wüstenstaat zum Ölstaat

Doch mich zieht es zu einem ganz anderen Museum, das sich mit der traditionellen Kultur der Katari befasst und das ebenfalls unter der Obhut einer mächtigen Frau steht. Her Highness Sheikha Moza Bint Nasser ist die Mutter des derzeitigen Emirs. Sie gilt als politisch einflussreich und ist seit 2010 bei den Vereinten Nationen für das Millenniums-Entwicklungsziel Bildung zuständig. Eine charismatische Frau, die abgebildet auf einer gläsernen Tafel – unverschleiert und mit deutlichem Haaransatz – die Gäste des Museumskomplexes begrüßt.

Die verschachtelten Lehmgebäude der Msheireb-Museen laden in vergangene Zeiten ein. Doch auch hier genießt man die Segnungen der modernen Welt. Die Aircondition surrt im Hintergrund, zur Begrüßung werden kühle Drinks serviert und die Beamer projizieren 3-D-Animationen auf die Wände. Frauen in traditioneller Kleidung huschen als Schattenrisse über die Wände und lebensgroße Skulpturen lassen die Mühsal früherer Arbeiter aufleben.

Vier historische Gebäude wurden hergerichtet und zeigen alle Stationen, gute wie schlechte, die der Golfstaat durchlebt hat. Besonders spannend ist das Company House, das die Entwicklung Katars vom bitterarmen Wüstenland, in dem Perlentaucher ein entbehrungsreiches Leben führten, zum superreichen Ölstaat veranschaulicht.

Unterwegs auf dem Souq

Nach so viel Kunst hat sich der Katar-Besucher dann den Besuch des Souks redlich verdient – wie gesagt, am besten in den milden Abendstunden. Hier, im Souq Waqif, in der Altstadt Dohas feilschten einst Händler um Gold, Perlen und Gewürze. Der Souk brannte 2003 vollständig ab und wurde neu errichtet – im alten Stil mit traditionellen Lehmhäusern. Auch in diesem Punkt bleiben die Katari ihrer Maxime treu: Sie öffnen sich der modernen Welt und behalten gleichzeitig ihr kulturelles Erbe fest im Blick.


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Jutta Lemcke
Jutta Lemcke
Jutta Lemcke ist als Reisejournalistin weltweit unterwegs – am liebsten in exotischer Ferne. Schwerpunkte: das südliche Afrika mit Ländern wie Südafrika, Namibia, Botswana, aber auch Kreuzfahrten auf allen Weltmeeren und auf Flüssen.

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