Donnerstag, Mai 25, 2023

Fahrt ins Blaue

Sein blaues Wunder kann man im Norden von Sardinien erleben: der La-Maddalena-Archipel gilt als die Inselgruppe mit dem klarsten Wasser in Europa. Das Meer schimmert in allen Blautönen. Und eine Strandbar lockt nicht nur zur blauen Stunde.

Es ist ein warmer Spätsommernachmitttag in Sardinien, der Strand wartet. Erwartungsvoll stapft ein Pärchen durch den Sand, die Vorfreude auf eine nasse Erfrischung ist von ihren Augen abzulesen. Die werden fast tellergroß größer, als sie das kühle Nass erblicken. Besser gesagt, dessen Farben: gelblich, bräunlich, rötlich wabert es. Jedenfalls alles anderes als türkisblau. Chemieunfall? Abwasserskandal? Nein, was da so farbenfroh im Glas schimmert, heißt Cocktail Sardo und gehört zu einem Strandbesuch im Norden Sardiniens wie Badehose und Bikini. Wenn Paolo in der Bar Li Caracòli den Drink mixt, kann das kristallklare Wasser im Hintergrund erstmal warten.

Urlaub auf Sardinien - Martin Cyris - Aussichtspunkt im Norden, Foto Martin Cyris
Aussichtspunkt im Norden. (Foto: Martin Cyris)

Urlaub auf Sardinien fast wie in der Karibik

Paolo Sardo ist Barkeeper und steht schon so lange hinter der Theke des Caracòli wie es die Bar gibt. Also seit über 30 Jahren. Vor ein paar Jahren hat er seinen Cocktail kreiert, bestehend aus sardischem Bier (namens Ichnusa), Limonensaft und Myrtenlikör. Der mirto rosso ist eine äußerst aromatische und sehr typische Spirituose Sardiniens. Sie verleiht dem Cocktail Sardo seine rötliche Farbe. „Das Rot steht für das Herz Sardiniens“, erklärt Paolo. Das hoffentlich nicht in die Hose rutscht – entsprechend dem Myrtenlikör, der sich unten im Glas absetzt und für das Farbenspiel sorgt.

Besuchern dürfte aber eher das Herz aufgehen. Denn das Li Caracòli liegt an einem der schönsten Strände von Sardinien. Puderweicher, heller Sand, türkisblaues Wasser – fast wie in der Karibik. Die von Wind und Wasser geformten Felsen wiederum erinnern an die Seychellen. Fehlen nur noch die Palmen. Stattdessen sorgen landestypische Pinien und Kiefern für etwas Schatten. Ein mediterraner Duft von Rosmarin und Lorbeer liegt in der Luft.

Inselwelt mit dem klarsten Wasser in Europa

Und dazu dieses Meeresblau. In allen erdenklichen Blautönen leuchtet das Wasser. Dank des kongenialen Zusammenspiels des Sonnenlichts mit den wechselnden Meerestiefen an der Nordküste Sardiniens. Im La-Maddalena-Archipel hat der blaue Planet seinen Namen jedenfalls mehr als verdient. Selbstredend, dass hier die blaue Flagge weht, das Zeichen für gute Wasserqualität zum Baden. Damit das so bleibt, wurde der Archipel mit seinen rund 60 Inseln und Inselchen zum Nationalpark erklärt. Es gilt als die Inselwelt mit dem klarsten Wasser in Europa.

Den Tourismus an diesem Idyll von Strand haben ausgerechnet deutsche Studenten aus Frankfurt entfacht. In den sechziger Jahren war das. Einen Sommer lang blieben sie, auf Vermittlung der Studentenvertretung. Die landestypische Kultur sollten sie kennenlernen. Man erzählt sich, dass sie vor allem der Weinkultur Sardiniens näher kamen.

Spiaggia dei Tedeschi – Strand der Deutschen

Von der spartanischen Genügsamkeit dieser Ära – die Aussteiger auf Zeit wohnten in provisorischen Bauwagen – ist freilich nicht mehr viel übrig. Entlang der Küste haben sich Luxushotels- und Resorts ausgebreitet, etwa die Fünf-Sterne-Resorts Valle dell’Erica oder Capo d’Orso. Die beide aber immerhin konsequent sardische Architektur aufgreifen, lokale Traditionen pflegen und den Touristen nahe bringen und sich, so gut es eben geht, harmonisch ins Gelände fügen. Und dennoch hat sich der Geist jener Tage in der beschaulichen Gegend verewigt. Denn unter den Einheimischen wird der Abschnitt zwischen Santa Teresa und Palau auch heute noch nach den ersten offiziellen Touristen benannt: Spiaggia dei Tedeschi – Strand der Deutschen.

In den sechziger Jahren war Paolo Sardo noch ein junger Knabe. Doch der Kontakt mit diesen müßgiggängerischen Studenten scheint einen positiven Eindruck hinterlassen zu haben. „Ich liebe die Deutschen, sie sind in meinem Herzen“, beteuert er ruhig. Ohne Hände und ohne Füße und ohne Pathos in der Stimme, entgegen der üblichen italienischen Gepflogenheiten. „Wir Sarden sind ein sehr spezielles Volk“, sagt Paolo. Bodenständiger, ungekünstelter, pragmatischer, vielleicht auch ehrlicher. Den Korsen wird eine ähnliche Mentalität nachgesagt. Korsika liegt in Sichtweite und den Sarden mehr als das italienische Festland. „Mit den Korsen verbindet uns vieles, vielleicht auch die Heimatliebe“, sagt Paolo.

Paradies für Schnorchler und Taucher

Ehrlich ist auf jeden Fall das Urlaubserlebnis – dank des geschützten Archipels, das sich vor den Urlaubern ausbreitet. Vorbei die Zeiten, als Millionärs- und Diplomatensprösslinge von der berühmten Costa Smeralda herüberkamen und mit ihren Motorbooten und Jetskis die empfindliche Meeresfauna und -flora aufschreckten – und mit ihnen Ruhe suchende Urlauber. Gegner der Naturschutzmaßnahmen fürchteten einen Einbruch der Übernachtungszahlen. Doch die düsteren Szenarien blieben aus, der Tourismus auf konstantem Niveau. Dafür erholten sich die Bestände der Meeresbewohner, etwa Delfine und Meeresschildkröten, Seesterne, Korallen und Seeanemonen. Ein Paradies für Schnorchler und Taucher.

An der Nordküste ist es ruhig und überschaubar geblieben, wie eh und je. Auch dank der gestrengen Wasserwacht, die den Maddalena-Archipel im Auge behält und die strengen Umweltauflagen für Schiffe und Boote. Damit das Wasser nicht irgendwann die Farbe von Paolos Cocktail annimmt. Es gibt strikte Nutzungs- und Zonenpläne. Bei Zuwiderhandlungen drohen harte Strafen. Das Ankern vor einigen kleineren Inseln ist verboten, um die wertvollen Seegrasbestände zu schützen. Und auch der Zutritt zum eigenartigsten Strand des Archipels ist tabu: der Spiaggia Rosa ist einzig und allein der Tierwelt vorbehalten. Seine rosa Farbe erhält er durch abgestorbene Kleinlebewesen. Kein Problem, es gibt unzählige andere Buchten und Strände, an den das Baden im kristallklaren Wasser erlaubt ist. Und auf einem sind wir sogar, zumindest dem Namen nach, ganz unter uns: auf dem Spiaggia dei Tedeschi.
www.delphinahotels.de

Informationen zum Urlaub auf Sardinien

Anreise

Nach Cagliari z. B. mit Eurowings, Easy Jet oder Lufthansa von verschiedenen deutschen Städten.

Essen & Trinken

Das Ristorante Li Ciusoni oberhalb des Spiaggia dei Tedeschi hat sich nach einer typischen sardischen Pasta benannt. Die Ciusoni werden von Signora Chicca – der Schwägerin des Besitzers – einzeln und per Hand in einem alten Brotkorb geformt, den sie von ihrer Großmutter geerbt hat. Nur noch wenige beherrschen das Handwerk der Herstellung. Außerdem gibt es viele weitere traditionelle Gerichte, gegrillt wird nach Art der Vorfahren, über offenem Feuer.

Wem der Sinn nach einer Pizza steht, geht in Santa Teresa am besten in die Pizzeria Azzurra, die sich mitten in der beschaulichen Kleinstadt mit ihrer grandiosen Lage befindet.

Übernachten

Das Fünf-Sterne-Resort Valle dell’Erica bietet auch erschwingliche HP-Pakete, vor allem in der Nebensaison. Weitläufige, gediegene Anlage ohne Schickeria-Schnickschnack dafür mit viel sardischem Charme und herzlichen Mitarbeitern, www.delphinahotels.de

Baden

Natürlich am Strand der Deutschen, dem Spiaggia dei Tedeschi.

Allgemeine Informationen

www.sardegnaturismo.it

Hinweis: Die Reise wurde unterstützt von Delphina Hotels & Resorts

 

Martin Cyris
Martin Cyris
Martin Cyris ist gelernter Feuilletonredakteur und sattelte aus Leidenschaft und Neugier für Menschen, Musik und fremden Kulturen zum Reisejournalisten um. Er fühlt sich überall zuhause, aber am liebsten schreibt er über Deutschland, Europa, Lateinamerika und die Karibik. Kein Wunder, denn er ist Salsa und Soca verfallen.

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