Chanthaburi wird auf der Durchreise zu Ferieninseln wie Koh Chang oft links liegen gelassen. Zu Unrecht, die Stadt ist ein kleines Juwel. Sogar sprichwörtlich: Chanthaburi ist Hochburg für den Edelsteinhandel. Und abends funkeln die Lichter im Ausgehviertel am Flussufer.
Gemütlicher Straßenmarkt am Wochenende
Eigentlich waren wir an diesem Sonntagmorgen mit Warawan verabredet. Es ist 10 Uhr und der Alte Markt in Chanthaburi in der Nähe des Flusses ist bereits in vollem Gange. Doch Warawan lässt uns warten.
Jeden Samstag und Sonntag findet im alten Teil der 50000-Einwohner-Provinzhauptstadt im Osten Thailands ein gemütlicher Straßenmarkt statt. Genauer gesagt auf der Sukhapiban Road, auch: Chanthaboon Waterfront. Sie verläuft parallel zum Chanthaburi River. Es gibt Obst und Gemüse, allerlei Süßigkeiten, Eisshakes und traditionelle Gerichte. Aus großen Pötten dampfen Currys, Reis- oder Nudeleintöpfe.
Außerdem gibt es viele Motive für Fotografen. Freundliche Gesichter, interessante Charakterköpfe, die meistens gerne für ein Porträt posieren. Am Vortag war mir Warawan wegen ihres Antlitzes aufgefallen. Ein Gesicht wie gemalt und von würdevollem Ausdruck. Wir verabredeten uns für den darauffolgenden Morgen. Denn sie wollte sich für die Fotos etwas herausputzen.
2.000 Euro bei der Lotterie gewonnen
Während wir auf Warawan warten, unterhalten wir uns mit Pook, ihrer Freundin und Standnachbarin. Sie verrät uns den Grund des Zuspätkommens: Am Vorabend habe Warawan den Hauptgewinn in einer Lotterie gewonnen. 70.000 Baht, etwas weniger als 2.000 Euro. „Sie steht heute bestimmt später auf“, sagt Pook, die an ihrem kleinen Straßenstand Mangos verkauft. Um uns die Wartezeit zu versüßen, schält sie eine Mango und füttert uns ganz mütterlich mit den süßen Schnitzen. Sie will dafür kein Geld entgegennehmen, der Besuch von europäischen Touristen sei ihr eine Ehre. Touristisch gesehen ist Chanthaburi ein Mauerblümchen, zumindest wenn es um westliche Besucher geht.
Nach einer Weile kommt Warawan, die Markt-Schönheit. Die inoffizielle Miss Sukhapiban Road. Beschwerlich entsteigt sie einem Fahrzeug. Mühsam hievt sie die Töpfe von der Ladefläche. Miss Sukhapiban Road ist immerhin schon 75. Gestenreich erzählt sie von ihrer Kindheit, wie sie mit sieben Jahren die Schule verlassen musste, um auf Märkten zu verkaufen. Sie erzählt von ihrem unredlichen Ehemann, der sie betrog und beklaute, und wie sie als Grazie in den sechziger Jahren eine Nebenrolle in einer Liebesschnulze bekam. „Ich hätte viel mehr aus meinem Leben machen können, wenn ich die Chancen bekommen hätte“, seufzt sie. Es blieb ein Dasein als Aschenputtel, mittlerweile in die Jahre gekommen und doch noch immer mit einer anziehenden Aura.
Chanthaburi ist ein unentdecktes Juwel
Mit dieser Geschichte steht Warawan stellvertretend für die ganze Stadt: Chanthaburi ist ein unentdecktes Juwel, das Aschenputtel in Thailands Osten. Eine sehr alte Stadt mit bewegter Geschichte, im 9. Jahrhundert von den Khmer gegründet. Es gibt chinesische, kambodschanische und vietnamesische Einflüsse. Der augenfälligste ist die Kathedrale, die auf katholische Flüchtlinge aus dem Vietnam zurückgeht. Das gotische Gotteshaus wirkt fast unwirklich in einem Land, das nicht zuletzt wegen seiner buddhistischen Tempel bekannt ist.
Die Kathedrale steht am südlichen Ufer des Chanthaburi River. Doch das Leben spielt sich vor allem gegenüber ab, auf der Sukhapiban Road. Eine kleine, quirlige Meile, eigentlich wie geschaffen für Städte- und Rucksacktouristen. Mit modernen Boutiquehotels, sehenswerten Museen, romantischen Restaurants mit lauschigen Candle-Light-Tischen am Flussufer, Bierkneipen mit Live-Musik und Kaffeehäusern, wie sie auch in Berlin oder London stehen könnten. Vieles davon in restaurierten Altbauten untergebracht.
Über allem wacht König Bhumibol
Im C.A.P. („Coffee and People“) wird thailändisches Gebäck und europäischer Kaffee serviert. Eine kichernde Schar chinesischer Touristinnen kann sich nicht entscheiden: Cappuccino oder doch lieber Latte Macchiato mit Vanilleflavour? Über allem wacht König Bhumibol, in Form einer neongelben Pop-Art-Fotografie. Ein ungewöhnlicher Anblick im traditionsbewussten Thailand.
Ungewöhnlich auch, womit die Kaffeebohnen von Hand gemahlen werden: Mit einer echten KYM-Kaffeemühle aus deutscher Nachkriegsproduktion. Kaum ein Haushalt in Wirtschaftswunderdeutschland, in dem diese würfelförmigen Mühlen fehlten. Der Besitzer im C.A.P. ist überaus stolz auf sie und lächelt damit in die Kamera.
Nebenan verkaufen zwei Schwestern, Lek und Meaow, selbstgemachten Kuchen. Das Stück für rund 50 Cent. Die Geschäfte laufen prächtig. Kein Wunder, die kunterbunten Farben scheinen die Kundschaft anzulocken wie die Fliegen. Und natürlich der süße Zuckerguss.
Chanthaburi liebt es zuckrig
Ohnehin lieben es die Bewohner von Chanthaburi außerordentlich zuckrig. Zucker landet fast überall, ob in thailändischem Curry oder in Spaghetti Carbonara. Etwa im Restaurant Yindee, das mit seinen ausladenden Bäumen und der funkelnden Beleuchtung eine ideale Adresse für ein entspanntes Dinner ist.
Am Nebentisch verstummen die Gespräche. Getuschel. Eine Gruppe junger Männer beäugt uns, als hätten sie Außerirdische erblickt. Westliche Touristen sind wie erwähnt eine Minderheit. Plötzlich steht einer auf, fasst seinen ganzen Mut zusammen und stellt sich vor. Er sei Seemann auf Landgang und würde mit seinen Freunden, bei denen gerade Ebbe im Geldbeutel sei, einen Teil seinen Lohns verzechen. Als Zeichen der Gastfreundschaft reicht er eine Tüte Popcorn herüber. Selbstverständlich nicht gesalzen, sondern gezuckert.
Eine weitaus größere Rolle als Zuckerkristalle spielen in Chanthaburi allerdings ganz andere Körner: nämlich Edelsteine. Es gibt unzählige kleine Edelsteinschleifereien, unweit der Sukhapiban Road findet täglich eine Edelsteinauktion statt. Angeblich kommen 70 bis 80 Prozent aller Saphire und Rubine aus Chanthaburi. Die Ressourcen sind zwar weitgehend erschöpft, doch die Steine werden hauptsächlich aus Afrika gekauft und in der Stadt weiterverarbeitet. Laien sollten allerdings Vorsicht walten lassen. Man berichtet, dass unkundigen Käufern auf der Straßenauktion gelegentlich Fälschungen untergejubelt werden.
Region lebt vom Verkauf von Edelsteinen
Wer auf Nummer Sicher gehen will, begibt sich lieber ins Chanthaburi Gem and Jewelry Center. Neben einem opulenten Verkaufsraum für allerlei Klunker und Hochkaräter gibt es dort auch ein Info-Center. „50000 Arbeiter in der Provinz Chanthaburi leben von der Edelsteinindustrie“, erzählt Prakob Boonchuaysream, Vize-Präsident der im Jewelry-Center ansässigen Edelsteinhandelsorganisation. Die Region lebe zu einem großen Teil vom Verkauf der Edelsteine. Dieser Wirtschaftszweig belege allerdings nur noch Platz zwei im Ranking. Hinter der Agrarindustrie. Die überaus grüne Provinz gilt als Obst- und Gemüsegarten Thailands.
Zwei Tatsachen, die wohl nur wenigen Thailand-Urlaubern bekannt sein dürften. Chanthaburi ist in der Regel höchstens Zwischenstation auf dem Weg nach Trat. Von dort geht es für viele Touristen entweder weiter über die Grenze nach Kambodscha oder per Fähre auf die nahen Urlaubsinseln: Koh Chang und Koh Kood mit ihren paradiesischen Stränden.
„Wir hoffen, dass die Regierung den Flughafen ausbauen lässt“, sagt Prakob Boonchuaysream. Um es für Touristen einfacher zu machen, in die östliche Region zu gelangen. Außerdem sei ein Hochgeschwindigkeitszug von Bangkok nach Chanthaburi in Planung, der die Strecke in rund einer Stunde schaffen würde. Eine Busfahrt von der Hauptstadt in den Osten dauert derzeit etwa vier Stunden. „Chanthaburi wird dennoch ein ruhiges Plätzchen bleiben“, ist sich Prakob sicher, „wir wollen kein zweites Pattaya werden.“ Die Kommune habe vorgesorgt: Bauwerke über sieben Stockwerke werden nicht genehmigt. Und 70 Prozent der gesamten Provinz müssen per Gesetz unverbaut bleiben. Damit die Provinz grün und die Natur erhalten bleibt. Zu bestaunen etwa im nahegelegenen Nationalpark Nam Tok Phlio.
Und damit Chanthaburi seinen Status als Geheimtipp und verstecktes Juwel behält. Nicht unbedingt das schlechteste Argument für authentische Urlaubserlebnisse.
Weitere Infos für den Urlaub in Thailand
Anreise:
Per Direktflug nach Pattaya. Oder ab Bangkok mit Thai Airways oder Bangkok Airways zum Flughafen von Trat. Von beiden Flughäfen gibt es Transferbusse nach Chanthaburi.
Übernachten:
Das künstlerisch gestaltete Tamajun Hotel direkt auf der Sukhapiban Road beschreibt sein Intérieur treffend als „hip and tropical Thai style“, www.tamajunhotel.com
Ein traditionelles, geschichtsträchtiges Haus, ebenfalls an der Waterfront, ist das holzvertäfelte Baan Luang, mit einer noblen, eleganten Atmosphäre, www.baanluangrajamaltri.com
Etwa zehn Gehminuten von der Altstadt steht das Chanthaburi Center Hotel mit modernen und klimatisierten Zimmern, die zudem viel Platz bieten, denn das Hotel diente früher als Krankenhaus, www.chanthaburicenter.com
Essen und Trinken:
Traditionelle Gerichte aus der Region Chanthaburi und Eastern Thai Food werden im Chanthorn Phochana aufgetischt, etwa Soft Shell Crabs oder ein spezielles Curry mit unreifen Durian-Früchten. Nahe der Altstadt gibt es zudem viele Stände mit dem obligatorischen Street Food.
Für einen Kaffee empfiehlt sich das C.A.P. auf der Sukhapiban Road oder das auf der Maharaj Road gelegene Latte Coffee House mit kolonialem Ambiente und entspannenden Rattan-Möbeln.
Edelsteine:
Das Chanthaburi Gem and Jewelry Center befindet sich im neuen Teil Chanthaburis, auf der Maharaj Road, www.cga.or.th
Ausflüge:
Tagestrips, etwa in den Nationalpark Nam Tok Phlio bieten lokale Agenturen an. Die Landschaft rund um Chanthaburi ist sehr sehenswert und naturbelassen, es werden zudem lokale Märkte angesteuert sowie das Chanthaburi Fisherman Village, wo es fangfrischen Fisch und Meeresfrüchte gibt.
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