Samstag, September 30, 2023
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Smiling Gecko: Lächelnd um das Überleben kämpfen

Dieser Beitrag wurde am 29.07.2023 zuletzt aktualisiert.

Von den Folgen seiner Bürgerkriege immer noch gezeichnet und gelähmt, zählt Kambodscha weltweit zu den ärmsten Ländern. Durchschnittlich stehen pro Familie, oft mit vier bis zu sechs Kindern, im Jahr nur 1.500 US-Dollar zur Verfügung. Sehr viele müssen mit deutlich weniger zurechtkommen. Die Not treibt sie zur Prostitution, zu Kinderhandel und -missbrauch. Mit seinem Musterdorf „Smiling Gecko Campus“ bereitete der Schweizer Künstler Hannes Schmid vielen Notleidenden einen Weg zur Selbsthilfe, der beispielgebend sein könnte. Eckpfeiler des Projekts sind Landwirtschaft, Tourismus, Handwerk. Schul- und Berufsbildung nach internationalen Standards stehen im Mittelpunkt. Inzwischen profitieren davon tausende Familien. Von Deutschland aus wird das Projekt vom Verein DER Touristik Foundation e. V. unterstützt.

Tropenluft unter den Bäumen ist frisch und kühl

Frisch und kühl fühlt sich die Tropenluft unter den Bäumen an. Der Duft von Gras und Blüten mischt sich mit dem des Tees auf dem Balkon. Bunte Schatten kleiner Vögel huschen durch die Zweige, durch die man auch das das Restaurant erkennen kann. Bis zum Frühstück ist noch Zeit, in diesem wunderbaren Augenblick zu schwelgen. Es ist ein Morgen wie aus einem Bilderbuch.

Ort des Geschehens ist das Smiling Gecko Farmhouse, zwei Autostunden von Phnom Penh entfernt. Ein Dutzend Bungalows im Khmer-Stil mit komfortablen Zimmern und zehn nagelneue Luxussuiten, Wellness, Pool sowie drei Restaurants, in denen Chefköchin Mariya Un Noun für unerwartete Genüsse sorgt. Das in den Slums der Hauptstadt aufgewachsene Naturtalent kocht weltweit mit den Stars der Haute Cuisine und gilt inzwischen selbst als „Stern-Anwärterin“.

Parkartige Anlage als Rucksack-Hostel mit fünf Hütten war der Anfang

Ihren Anfang nahm die schmucke parkartige Anlage als Rucksack-Hostel mit fünf Hütten. Heute zählt sie zu Kambodschas prominentesten Hoteladressen. Doch ihr Unterschied zu anderen „schönen Resorts“ ist enorm. Denn das Smiling Gecko Farmhouse gehört einer gemeinnützigen Stiftung und liegt inmitten eines Campus, der sowohl von dem Hotel als auch von Ackerbau und Tierzucht lebt. Als Gast muss man das unbedingt gesehen haben!

So plötzlich, wie er anfing, endete der kurze Tropenschauer. Bauern und Gärtner setzen ihre Arbeit fort. Nun „regnet“ es nur noch von Palmen- und Bananenblättern in die Auffangbecken. Hannes Schmid ist dankbar für das kostenlose frische Nass. „Was wir davon sammeln können, müssen wir nicht aus 180 Meter Tiefe pumpen“, sagt der drahtige Mann mit allemannischem Akzent.

2014 wurde Smiling Gecko gegründet

Der Schweizer mit dem Lausbub-Lächeln lebt überwiegend in der kambodschanischen Provinz Kampong Chhnang. 2014 stellte er dort für rund 100 notleidende Menschen ein ganzheitliches Hilfsprojekt zur Selbstversorgung auf die Beine, machte es zur Stiftung und nannte diese frei nach einem Tier, das nach seiner Ansicht selbst im Kampf ums Überleben lächelt: Smiling Gecko.

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Mit seinem Musterdorf „Smiling Gecko Campus“ bereitete der Schweizer Künstler Hannes Schmid vielen Notleidenden einen Weg zur Selbsthilfe, der beispielgebend sein könnte. Hier auf dem Campus unterwegs mit Chefköchin Mariya Un Noun. (Fotos: Carsten Heinke)

Inzwischen ist der ebenso benannte Campus ein regelrechtes Musterdorf mit Arbeit für 285 Angestellte und 70 Auszubildende. Binnen Kurzem wuchs seine Fläche von neun auf 150 Hektar. Tausende Familien im ganzen Umland profitieren von ihm.

Regelmäßig werden Lebensmittel an Bedürftige verschenkt. Während und noch lange nach der Covid-Pandemie, als Absatzmöglichkeiten fehlten, waren es viele Tonnen. Nach den Spenden, die noch immer auch für die Stiftung selber lebenswichtig sind, stellt Landwirtschaft die Haupteinnahmequelle dar. Darum zeigt Hannes Schmid gern seinen Gästen Felder, Gärten, Weiden, Ställe oder – wie jetzt – den Teich, wo Nilbuntbarsche aufgezogen und gemästet werden.

20 Tonnen Fische pro Jahr

Der Schwimmsteg schwankt. Doch flink und sportlich eilt der 76-Jährige darüber. Sein Alter sieht man ihm nicht an. Stolz blickt er in die Aufzuchtbecken, wo sich zigtausend rote Fische tummeln. „Rund 20 Tonnen davon produzieren wir pro Jahr“, sagt Schmid. Und dazu kommen Rind- und Hühnerfleisch, Eier, Milch und Käse, Reis und anderes Getreide, Obst, Gemüse, Kräuter sowie neuerdings Vanille.

Wer ihn so erlebt, könnte bezweifeln, dass sich Hannes Schmid erst seit neun Jahren wieder mit Agrarwirtschaft befasst. Tatsächlich wuchs er in ländlichen Verhältnissen auf, hütete als Kind die Ziegen. Die meiste Lebenszeit verbrachte er als Künstler. Stets waren es der Zufall und die Neugierde, die ihn dabei lenkten. Für seine Werke lebte er auf Sumatra mit Orang-Utans, in Neuguinea bei den Kannibalen. Er fotografierte die Musikstars dieser Welt und machte Kunst mit Werbung.

Wer aber brachte diesen Abenteurer dazu, sein ganzes Leben umzukrempeln, um sich für Bedürftige zu engagieren? Es war ein kleines Mädchen aus Kambodscha. „Es saß am Straßenrand auf einer Brücke. Als ich ihm Geld gab, sah ich: sein Gesicht und Körper waren von Brandnarben entstellt“, schildert der Mann das sehr berührende Erlebnis.

Bereits als Baby hatte man das Kind mit Säure übergossen, später an ein Bettelsyndikat verkauft. Schmid kaufte es frei und übergab es einem Waisenhaus. Dort hörte er von ähnlich traurigen Schicksalen: „Die schlimmsten fand ich auf einer Müllhalde am Stadtrand von Phnom Penh. Die Menschen leben dort im Abfall und vom Abfall.“ Um ihre Situation zu begreifen und sie zu dokumentieren zu können, blieb er bei ihnen und teilte ihren Alltag für ein ganzes Jahr.

Deponiebewohner waren ehemalige Bauern

Die meisten Deponiebewohner waren ehemalige Bauern, die ihr Land verloren oder keine Mittel hatten, es zu bestellen. „So fragte ich, wer denn Verwandte hätte, die noch Land besäßen und Unterstützung bräuchten – bis wir welche fanden.“ So zogen der knapp 70-Jährige und etwa 100 Leute von der Müllhalde aufs Land. 70 Kilometer nordöstlich von Phnom Penh siedelten sie sich an, um Landwirtschaft zu betreiben. „Wir hatten weder passendes Saatgut noch geeignete Tiere. Am Anfang ging fast alles gründlich in die Hose. Doch wir lernten aus den Fehlern“, erzählt der Schweizer.

Um den Genpool unserer Schweine aufzufrischen, schmuggelte ich Ebersperma aus der Schweiz – abgefüllt in 20 Bodylotionflaschen, verpackt im Reisekoffer, eisgekühlt“, berichtet Schmid. Es klappte. Nach drei Generationen hatte man gesunde Schweine. Parallel zu Ackerbau und Tierzucht baute Smiling Gecko ein Hotel und sorgte von Beginn an für die Bildung der Kinder und Ausbildung der Jugendlichen. Der 2017 eröffnete Schul- und Kitakomplex wurde zum Mittelpunkt des Campus.

„Hello, Mister Hannes!“ ruft ein Mädchen, das mit seinen Klassenkameraden und der Lehrerin im Gänsemarsch über das Schulgelände läuft. Derzeit lernen und spielen hier knapp 400 Kinder. Mehr als 1000 sollen es in naher Zukunft sein. „Bis zur ersten Klasse gilt das pädagogische Konzept von Montessori, das heißt soziales Lernen und die Förderung individueller Begabungen stehen im Vordergrund“, erläutert Schmid. Auch das Duschen vor dem Unterricht gehört zum Tagesablauf. Das Allerwichtigste jedoch sei für die Kinder: „Sie bekommen hier täglich zwei Mahlzeiten und können dabei essen, soviel sie wollen.

Weitere Infos

Anreise: Flüge ab Frankfurt mit Singapore Airlines via Singapur (www.singaporeair.com). Vom Flughafen Phnom Penh bis zum Smiling Gecko Campus sind es knapp 70 km bzw. 1,5 Autostunden.

Übernachten und essen: Das Vier-Sterne-Villen-Resort Smiling Gecko Farmhouse liegt inmitten des gleichnamigen Campus. Die ruhige gelegene parkartige Anlage mit großen Bäumen hat zwölf Villen mit je zwei Zimmern sowie zehn Einzelsuiten, drei hervorragende Restaurants, Pool und Spa. Der moderne, 4.000 Quadratmeter große Wellness-Bereich mit acht Privatvillen wurde im Herbst 2023 eröffnet. Buchbar sind außer Übernachtungen mit Vollpension auch nur Campusbesuche bei Dertour und Meiers Weltreisen (www.dertour.de, www.meiers-weltreisen.de).

Fördern und spenden: Der Verein DER Touristik Foundation e. V. setzt sich dafür ein, die sozialen und wirtschaftlichen Lebensumstände der Menschen wie auch die ökologischen Lebensräume in touristischen Regionen weltweit zu fördern und zu schützen. Bislang wurden und werden 92 Projekte in 28 Ländern auf fünf Kontinenten unterstützt – seit 2019 auch Smiling Gecko, u. a. mit der Finanzierung von zehn Ausbildungsplätzen. Private Spenden können überwiesen werden an: DER Touristik Foundation e. V., Commerzbank, IBAN DE 53 3708 0040 0980 0803 00, BIC DRESDEFF370, Betreff: Smiling Gecko

Auskünfte: www.smilinggecko.ch, [email protected]


Hinweis in eigener Sache: Dieser Artikel wurde teilweise von Reiseveranstaltern, Restaurants, Hotels, Fluggesellschaften und/oder Tourismusagenturen unterstützt. Wir legen größten Wert auf unabhängige und neutrale Berichterstattung; daher entsprechen die Meinungen, Eindrücke und Erfahrungen der jeweiligen Autoren ihren persönlichen Ansichten.
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Carsten Heinke
Carsten Heinke
Es ist immer die Schönheit und Vielfalt der Natur, die den Reporter und Fotografen zu neuen Reiseerlebnissen inspiriert, sei es ins Donaubergland, an die Küste der polnischen Ostsee, zu den Flüssen Sibiriens oder zu den südpazifischen Inseln. Seine Laufbahn als Schriftsteller und Fotograf begann während seines Studiums, als er für Tageszeitungen zu schreiben und fotografieren anfing. Zunächst waren es kulturelle Themen, die er behandelte, aber bald konzentrierte er sich hauptsächlich auf das Reisen. Der Globetrotter aus Sachsen schreibt nun Bücher und arbeitet als freiberuflicher Mitarbeiter für eine Vielzahl von Print- und Online-Medien rund um den Globus. Seine Reiseberichte und -fotos sind in Ländern wie Deutschland, Lettland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz zu finden. Die Favoriten von Carsten sind das Baltikum und die slawischsprachigen Länder, Asien und die Südsee.

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