Mittwoch, Mai 24, 2023

Wilde Küste Mosambik – Geheimtipp für Afrika-Kenner

Sonnenstrahlen brechen durch die Krone des Wasserbeeren-Baums. Perlhühner flitzen über Pisten, die hier aus Sand und nicht aus roter Erde bestehen, wie sonst in Afrika. Einzigartig ist die Kombination von Safari und Strand im Süden Mosambiks. Das 678 Quadratkilometer große Meeresreservat von Ponta do Ouro und das tausend Quadratkilometer große Maputo Special Reserve Naturschutzgebiet bilden eine Einheit. Kaum haben wir das Jurassic-Park-ähnliche Eingangstor des Reservats passiert, sehen wir am Piti See Flusspferde gähnen und Störche mit gelben Schnäbeln über grüne Grasinselchen staksen.

Safari und Strand auf Tuchfühlung

Beim Safari-Picknick erzählt unser Guide Lorenzo Paco von einem Hippo, das sich verirrte zwischen Park und Strand, nicht mehr zurückfand und im Salzwasser verendete. „Wir fanden seinen toten Körper beim Tauchen“, erinnert sich der 39-Jährige. Ein trauriger Unfall. Dabei will das Maputo Reservat gerade ein Zufluchtsort für wilde Tiere sein, darunter 500 wieder angesiedelte Elefanten und über 400 Schmetterlingsarten; Rhinos und Buffalos sollen folgen. Ein Brutkasten der Natur in einer Region, wo Impalas und Gnus viele Bürgerkriegsjahre hindurch eher im Kochtopf landeten. Wohl kaum irgendwo auf der Welt liegen Beach und Busch so dicht beieinander wie im Süden Mosambiks. Alles wirkt noch ursprünglich, die wilden Strände sind menschenleer.

Unter den Top 10 Afrikas: White Pearl Luxusresort am Ponta Mamoli Strand

Eben noch sah das Meer aus wie auf Sylt in der Nebensaison. Starke Brandung, ein einsamer Strand, von hohen Dünen umsäumt. Ich schaue von meiner privaten Holzterrasse auf die schäumenden Wellen. Tropischer Busch umgibt meinen Strandbungalow, der wie ein Baumhaus auf Stelzen über der Dünenlandschaft steht: Die Stelzen und hölzernen Gangways sind mir sehr recht; wer weiß, was hier so alles in dem Dickicht kreucht und fleucht? Mosambik ist nichts für Angsthasen. Aber auf der Suche nach dem perfekten Strand kommt meine Neuentdeckung dem Traum ziemlich nahe. Experten haben den Ponta Mamoli Strand südlich von Mosambiks Hauptstadt Maputo kürzlich unter die Top-10-Strände Afrikas gewählt.

Mosambik-Breitengrad53-Reisemagazin-Andrea Tapper

Ein erstes Luxus-Hotelresort, das „White Pearl“ mit 21 Beachhäusern im lässigen Ibiza-Stil, thront über dem Meer. Originell und stylish die Einrichtung: ein Ohrensessel auf Sand statt „Weinkeller“, ganz in Weiß gehalten mein Luxusbungalow. Ich liege in der Wanne und schaue direkt aufs Meer, mein Morgenbad nehme ich in meinem eigenen kleinen Pool auf der Terrasse. Das Hotel gehört einem Geschäftsmann aus Mosambik, einem Pionier, der sein von einem langen Bürgerkrieg geschütteltes Land nach vorn bringen will. Bei ihm können Urlauber auf gemütlichen „Boudersperden“ – südafrikanisch für Farmpferde – am Strand ausreiten, im afrikanischen Winter von Juli bis November Buckelwale vorbei ziehen sehen und unser Guide Lorenz, den wir schon von den Hippos kennen, veranstaltet „artgerechtes Schwimmen mit Delfinen“.

Ozean-Aktivistin: „Drei Stunden täglich im Meer“

Ich treffe Tessa Hempson, den neuen Superstar der Meere. Die attraktive Meeresbiologin und Ozean-Aktivistin aus Südafrika füllt Kinosäle für 1200 Menschen wie zum Beispiel im Hamburger Cinemaxx am Dammtor, wenn sie im Rahmen der „Ocean Film Tour 2018“ gegen Plastikmüll und für intakte Korallenriffe eintritt. Hempson’s Arbeitsplatz liegt vor Mosambik und Tansania in den – in allen psychodelischen Farben – leuchtenden Mutterriffen. Sie erklärt mir zum Auftakt, was ein Mutterriff überhaupt ist: „Bei ihrer spektakulären Korallenblüte entlassen die Mitterriffe Samen ins Meer, der wiederum winzige Meereslebewesen und damit die großen Riffhaie, Dugongs, Buckelwale und Grüne Meeresschildkröten anlockt.“ Die Korallen-Mikroteilchen, den die Tiere ausscheiden, wird als Sand angespült. Mutterriffe sind also der Nährboden für ein intaktes Meer.

Angst macht der Südafrikanerin jedoch, was andere als wirtschaftliche Chance für das arme Mosambik sehen: riesige Offshore-Erdgas- und Ölfunde sowie eine geplante Gaspipeline im Ozean. „Eine große Gefahr für die zerbrechliche Flora im Indischen Ozean“, warnt die Meeresbiologin. Da hilft nur persönlicher Einsatz: Drei Stunden täglich ist Tessa im Meer und kontrolliert die Riffe, danach sammeln wir zusammen mit Cordelia Masher, Direktorin des White Pearl Resorts, beim Strandspaziergang Müll ein und sind schockiert: Sogar am einsamen Ponta Mamoli Strand wird bereits Plastik angeschwemmt! Dass sich in Afrika gerade die Luxushotellerie wie White Pearl und die Safari-Kette andBeyond zunehmend für den Umweltschutz einsetzt, ist kein Zufall. Anspruchsvolle Klientel legt auf Naturschutz großen Wert, zerstört die Umgebung aber auch weniger als Massentourismus, Für Expertin Tessa Hempson ein gutes Zeichen: „Die Natur braucht eine starke Lobby.“

Swinger Club unter Wasser

Endlich: Heute wollen wir Delfine beobachten. Lorenzo Paco und seine Helfer lassen das Gummiboot zu Wasser, ein sieben Meter langer Brummer, mit Haltegurten. „Stemmt die Füße gegen den Boden und halten euch gut an der Kordel fest“, mahnt der 39-jährige Tauchlehrer uns sechs Urlauber, als sich das Boot über die Wellenkämme schiebt. Dahinter plötzlich Ruhe. Wärme. Der Wind lässt nach. Sylt ist weit weg. Vor Mosambiks Küste wartet eins der ältesten Korallenriffe der Welt auf Schnorchler und Taucher. Und eine tierische Überraschung.

Vieles wird, zu Recht, gegen menschliche Interaktionen mit Delfinen vorgebracht: Doch vor Mosambik sitzen die Tierschützer selbst mit im Boot: “Nie den Delfin berühren. Die Bakterien der Hände hinterlassen lebenslange Spuren“, warnt Lorenzo Paco und stellt klare Verhaltensregeln auf: „Ihr schwimmt nicht auf die Delfine zu, sondern wartet allenfalls, ob sie es selbst tun.“

Und ob sie es tun! Wir sind kaum ins Wasser geglitten, wenige hundert Meter vom Strand entfernt, wo gigantische Korallenriffe durch Schnorchelbrillen sichtbar werden, da nähert sich, tanzend und spielend, ein ganzes Knäuel hellgrau glänzender Körper. Menschengröße haben sie etwa, zeigen die bekannten, langen Plattnasen und entblößen ihre Zahnreihen. Und noch mehr sieht der Taucher, traut erst seinen Augen kaum: Sind da Delfin-Männchen und Weibchen etwa in Paarungsstimmung?

Der Fünfer-Club schmust und tummelt sich , zum Knoten verwoben, ständig die Positionen wechselnd. Plötzlich schießt einer der Anführer auf die Menschentaucher zu, die halb ängstlich, halb diskret, flink rückwärts paddelnd das Weite suchen. „Es waren fünf Große Tümmler“, sagt Paco lachend, als wir im Boot die Tauchmasken abstreifen. „Vier Männchen und ein Weibchen. Delfine sind neben Menschen und Schweinen die einzigen Lebewesen, die aus reinem Spaß und nicht der Fortpflanzung wegen Sex haben.“ Fotos hat keiner gemacht; unsere Handys waren bei dem wilden Ritt wasserfest verstaut…

Der Süden Mosambiks: Surfer-Paradies im Nirgendwo

Mosambik grenzt an Südafrika. Eine abenteuerliche Tagesreise mit Fähre und Allrad-Jeep war der Trip in den Süden bisher, bald soll er in neunzig Minuten zu schaffen sein – 110 Kilometer Küstenstraße von der Hauptstadt Maputo bis an die Grenze zu Südafrika. Überall herrscht Aufbruchsstimmung, Cowboy-Flair im Süden Afrikas. Wochenendhäuser, Kneipen und Bed & Breakfast’s sprießen rechts und links der neuen Trasse. Keineswegs nur Luxus-Hotels, sondern im Gegenteil eher Budget-Pensionen. Dazwischen verfallen von den ehemaligen portugiesischen Kolonialherren verlassene Bungalows: Die Kolonialzeit ist hier noch keine 50 Jahre vorbei.

Der Surfertreff Ponta do Ouro ist ein ausgeflipptes Grenzstädtchen auf Mosambiker Seite. Der allseits beliebte Drink „R & R“, Rum mit Raspberry, fließt an Strandkiosken mit Namen wie „The Drunken Clam“ schon vormittags. Afrikanische Krämerläden, Surfstationen. Jungkoch Roelof Bekker aus Südafrika bruzzelt Krabbencurrys für umgerechnet sechs Euro im „Sapphire Sands“-Strandlokal. Er ist sich sicher: „Die neue Straße wird für eine riesige touristische Entwicklung sorgen.“ Pattaya, Jamaica, Bali: ich kann mich kaum entscheiden, an was mich der lebhafte Hippie-Surfer-Ort erinnert. Von allem was hat dieser viel von Südafrikanern frequentierte Geheimtipp, und mittendrin eine zuckersüße portugiesische Bäckerei.

Mosambik: weißer Fleck auf der Urlaubslandkarte…

725 Millionen Dollar hat die Catembe Brücke gekostet, die größte Hängebrücke Afrikas. Mit roten Stahlhängern ähnlich der Golden Gate Brücke von San Francisco, finanziert und erstellt von China. (Fotos: Andrea Tapper)
725 Millionen Dollar hat die Catembe Brücke gekostet, die größte Hängebrücke Afrikas. Mit roten Stahlhängern ähnlich der Golden Gate Brücke von San Francisco, finanziert und erstellt von China. (Fotos: Andrea Tapper)

Mosambik: Die relative Unberührtheit des Landes an der Südostküste Afrikas, das eine bittere Bürgerkriegsgeschichte hinter sich hat, macht es zu einem Geheimtipp selbst für Afrika-Kenner. 2800 Kilometer wilde, aber im Gegensatz zu Südafrika ganzjährig warme Küste, Koralleninseln, grenzüberschreitende Safariparks und portugiesisches Kolonialerbe in der Hauptstadt – das bietet der afrikanische Staat, der 500 Jahre zu Portugal gehörte, bevor er als letzte Nation des schwarzen Kontinents 1975 nach der „Nelkenrevolution“ in Portugal seine Unabhängigkeit erlangte.

Dass jetzt auch der bislang unberührte Süden Mosambiks kurz vor der Erschließung steht – bisher ein weißer Fleck auf der Urlaubslandkarte – hängt mit einer Mega-Brücke zusammen: 725 Millionen Dollar hat die Catembe Brücke gekostet, die größte Hängebrücke Afrikas. Mit roten Stahlhängern ähnlich der Golden Gate Brücke von San Francisco, finanziert und erstellt von China, soll sie nach vierjähriger Bauzeit noch in diesem Jahr eröffnet werden. Bei ihrem Afrika-Rundreise sah sich jüngst auch Kanzlerin Merkel die Brücke an.

Ich darf sogar im Hubschrauber darüber fliegen – mit Blick auf die Bauarbeiten und das wasserreiche Delta von Maputo. Mit der Erschließung des Südens macht sich Mosambik in gewisser Weise selbst Konkurrenz. Bisher lagen die touristischen Highlights des langgestreckten Landes mit 28 Millionen Einwohnern eher im Norden, etwa die historische Sklaveninsel und frühere Hauptstadt llha de Mocambique, auf der Welteneroberer Vaso da Gama 1498 eintraf. Gefragt ist auch der Inseltraum Bazaruto Archipel, ein nobles Lieblingsziel der englischen Prinzen William und Harry. Mosambik grenzt im Norden an Tansania und im Süden an Südafrika.

Maputo: Pasteis de Nata und gefallene Engel

Die Hauptstadt Maputo mit ihren Art-Deco-Schätzen, ihren modernistischen, teils vergesellschafteten Hochhäusern und ihrem Afro-Polit-Graffiti ist eine Schönheit auf den zweiten Blick. Das Lebensgefühl weniger afrikanisch als lateinamerikanisch. Portugiesisch ist Amtssprache; Pasteis de Nata, die beliebten portugiesischen Sahneküchlein gibt’s in jeder Bäckerei; Marrabenta heißt der Rhythmus, der in Musik-Kneipen gespielt wird.

Im portugiesischen Fort sehe ich eine bizarre Sammlung von Kolonialzeugen, Reiterstatuen und Bronzekanonen. Auf den Spuren des berühmten Architekten Pancho Guedes, der als Siebenjähriger nach Mosambik kam und dort mehr als 500 richtungsweisende Bauten entwarf, bewundere ich Villen wie die „Casa Simoes Ferreira“, 1968 für ein höheres Töchterchen namens Maria Theresa designt, die spätere Gattin des Ketchup-Millionärs Heinz. Überhaupt ist Maputo für Architektur-Fans eine Schatzkammer, etwa der 1916 fertig gestellte Prachtbahnhof, in dem heute eine Galerie sitzt.

Im skurrilen Eisenhaus „Casa de Ferro“, gebaut aus Resten des Eiffelturms, schwitzen Beamte eines Ministeriums nahe des Botanischen Gartens. Im Tropengrün, mit typisch luftdurchlässiger Architektur zeigt sich die Universität, Sitz einer der schönsten Kunstsammlungen Maputos. Galerien und Co-Working Spaces wie das von zwei Frauen geleitete „Neto 16“ liegen im Villen-Stadtteil Sommerschield. Im „Riu’s“, einer Kneipe, die genau so auch in Lissabon stehen könnte, serviert der Besitzer Portwein, Suppe und ein kaltes portugiesisches Bier gegenüber dem Stripclub, den Schriftseller Henning Mankell in seinen „Erinnerungen an einen schmutzigen Engel“ beschrieb.

Henning Mankell und die Seele Afrikas

Der 2015 verstorbene Schriftsteller Henning Mankell, Wallander-Autor, hatte sich in Maputo verliebt, betrieb in der Innenstadt 29 Jahre lange das „Teatro Avenida“. Die Bühne steht noch, auch das Kassenhäuschen und die kleine, terracottafarben gestrichene Afro-Bar im Foyer. Mein Stadtführer Walter Tembe, selbst ein Architekt, bringt mich hin. Ein Thneatermann, der sich als Alberto vorstellt, sagt über den weltberühmten Autor: “Es wird schwer sein ohne ihn. Er hat die Seele Afrikas verstanden.“ Die Seele der Millionenstadt Maputo erkundet man am besten zu Fuß, „Maputo a Pe“ heißen die hervorragenden geführten Touren des Tourismus-Amts. Ich streife gemeinsam mit Walter Tembe durch Straßen, die sich Avenida Friedrich Engels oder Ho-Chi-Min nennen – Überbleibsel des Kalten Krieges auf afrikanischem Boden.

Vieles ist verwittert, in die Jahre gekommen. Kaum was im Laden, aber alles auf der Straße, scheint die Devise: Überall stehen Straßenverkäufer. Nur noch zwei Prozent der Stadtbewohner sind weiß, 1970 gehörte den Kolonialisten die Stadt praktisch allein. Für die Fülle illustrer Tropen-Architektur, gebaut von 1930 bis 1970, die es so nur in Mosambik und Angola gibt, hat Stadtführer Tembe eine Erklärung: „Die Portugiesen dachten wohl, sie blieben für immer.“

Im Garten des französisch-mosambikanischen Kulturzentrum mitten in der City gibt’s eine schicke Wohnboutique „Machamba“, frische Baguettes und Salate – und Kriegskunst, aus Landminen kreierte Skulpturen. Man spürt den Schmerz Mosambiks noch. Doch als ich mit Walter Tembe die Treppen zur 1944 erbauten weißen Kathedrale „Nossa Senhora da Conceicao“ neben dem düsteren Rathaus hochlaufe, sehen wir draußen über dem Meer, mit blitzroten Verstrebungen, das Zeichen des Aufbruchs: Die nagelneue Hängebrücke von Maputo funkelt im Sonnenlicht.


Hinweis in eigener Sache: Dieser Artikel wurde teilweise von Reiseveranstaltern, Restaurants, Hotels, Fluggesellschaften und/oder Tourismusagenturen unterstützt. Wir legen größten Wert auf unabhängige und neutrale Berichterstattung; daher entsprechen die Meinungen, Eindrücke und Erfahrungen der jeweiligen Autoren ihren persönlichen Ansichten.
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Andrea Tapper
Andrea Tapper
Andrea Tapper kann es als Journalistin gar nicht weit genug sein, doch auch aus Europa berichtet sie gerne. Als Jungredakteurin durchquerte sie Afrika mit einem Ford Transit Minibus, der Trip von Düsseldorf nach Nairobi dauerte ein Jahr. Heute berichtet die Hamburger Reporterin für Tageszeitungen und Frauenzeitschriften aus aller Welt – ihr Herz aber hat sie an Sansibar verloren, wo sie ein Büro unterhält.

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