Dieser Beitrag wurde am 27.07.2023 zuletzt aktualisiert.
Im Mittelalter gehörte die multiethnische Hafen- und Handelsstadt Julin oder Jomsburg (heute Wolin) zu den reichsten in Europa, mit möglicherweise bis zu 10.000 Einwohnern zumindest im Norden auch zu den größten. Viele halten sie für das legendäre „untergegangene“ Vineta. Heute pflegt man dort das Erbe der Wikinger und alten Slawen auf vielfältige Weise. Das jährliche Festival, das 2023 vom 3. bis 6. August stattfindet, ist diesmal dem dänisch-norwegischen König Harald Blauzahn gewidmet.
Von hier aus wurde das nördliche Haff und der Zufluss der Swine in die Ostsee kontrolliert
Am südwestlichen Zipfel der Insel Wollin ragen die Lebbiner-Kalkofener Hügel über den Wicko Wielkie (Großer Vietziger See), eine Bucht des Stettiner Haffs. Auf ihrer höchsten Klippe, dem 52 Meter hohen Schneiderberg, liegt der bronzezeitliche Grodzisko w Lubinie (Burgwall Lebbin) mit der archäologischen Stätte einer frühmittelalterlichen slawischen Festung. Bis zur Zerstörung durch die Dänen im zwölften Jahrhundert wurden von hier aus das nördliche Haff und der Zufluss der Swine in die Ostsee kontrolliert.
Die strategisch wichtige Lage lässt sich vom heutigen Aussichtsdeck gut nachvollziehen. Dass die alten Lebbiner für die Swine-Passage Schiffszölle kassierten, bestätigen Funde wie arabische Münzen aus dem zehnten Jahrhundert. Besichtigen kann man auf dem kleinen Museumsgelände die Reste eines Wohnturms, eines Friedhofs sowie der wohl ältesten pommerschen Kirche. Geweiht worden war diese 1124 dem heiligen Nikolaus durch Bischof Otto von Bamberg, dem „Apostel der Pommern“.
Der Hafenkai demonstrierte Macht
Die einst bedeutende Siedlung Lebbin war politisch und wirtschaftlich mit Julin oder Jomsburg (heute Wolin) verbunden. Dessen Macht demonstrierte bereits sein Hafenkai, mit 300 Meter der längste im damaligen Ostseeraum. Mit dem Aufblühen anderer Handelsorte begann im elften Jahrhundert der Niedergang der Slawen- und Wikingerstadt, die viele für das sagenhafte Vineta halten. Das jetzige Wolin, 20 Minuten südöstlich von Lebbin an der Dievenow, ist ein beschauliches Städtchen.
Sehenswert ist sein hübsches Zentrum mit der markanten Nikolaikirche aus dem 16. Jahrhundert und anderen historischen Bauten. Hauptattraktion des Regionalmuseums neben dem Rathaus ist eine 1000-jährige Kultfigur des viergesichtigen Gottes Świętowita. Eine Reihe weiterer Exponate dokumentiert die bemerkenswerte Geschichte der Stadt. Bedeutende Kapitel davon spielten auch auf dem Galgenberg – wo man über einhundert Hügelgräber fand – sowie auf dem Mühlen- und dem Silberberg mit Spuren früher Besiedlung.
Labor experimenteller Archäologie und lebendiges Freilichtmuseum
Wolins interessantester Ort befindet sich auf der Plage-Insel an der Dievenow: das Centrum Słowian i Wikingów (Slawen und Wikingerzentrum) „Wolin-Jomsborg-Wineta“. Es ist ein Labor experimenteller Archäologie und lebendiges Freilichtmuseum.
Dafür sorgen neben Wissenschaftlern und Angestellten vor allem Mitglieder des Fördervereins. Oft verbringen sie freie Tage und ganze Urlaube, indem sie die rund 30 rekonstruierten mittelalterlichen Holzhäuser als Handwerker, Bauern oder Fischer bewohnen. Dabei tragen sie selbst gefertigte Kleidung, arbeiten und ernähren sich, musizieren, feiern und kämpfen im Stil des neunten oder zehnten Jahrhunderts und gestalten damit Geschichte zum Anfassen und Miterleben.
Festival vom 3. bis 6. August
Anfang August füllt sich das Dörfchen mit hunderten von Akteuren und tausenden Zuschauern beim jährlichen Festival. 2023 findet das vom 3. (ab 11 Uhr) bis 6. August (bis 18 Uhr) statt und steht unter dem Motto „Harald Blauzahn und seine Zeit“. Höhepunkt sind neben vielfältigen Präsentationen und Ritualen, Musik und Kulinarik die Schlachten, Kampfspiele und Hochzeitszeremonien. Für Besucher kostet die Tageskarte 30 (ermäßigt 20) PLN (ca. 6,75/4,50 €). Adresse: Wyspa Ostrów, Recław 37, 72-410 Wolin/Polen, https://wolinwsieci.jomsborg-vineta.com